Keine Frage, „Agile“ bedeutet eine Bereicherung für unsere Projektwelt. Startups und „Greenfield-Projekte“ tun sich leicht damit, auf Agile umzuschwenken. Doch wie schaffen es die großen Tanker, also die Unternehmen und Konzerne mit Tausenden von Mitarbeitern und Tausenden von Vorbehalten. Lese hier über die realistischen Konsequenzen der Frage klassisch oder agil.
Der Impuls
Neulich war ich bei einer tollen Konferenz dabei: Tools4AgileTeams, organisiert von seibert//media in Wiesbaden. Der erste Tag wurde als Barcamp mit Session durch die Teilnehmer selbst organisiert. Eher zufällig schlitterte ich in die Organisation einer eigenen Session hinein. Auf mein Thema „Wieviel subversives Agile verträgt ein klassisches Projekt?“ gab es regen Zuspruch. Auch einige andere Sessions beschäftigten sich mit ähnlichen Fragestellungen. Die anregende Diskussion ergab viele unterschiedliche Lösungsansätze und ist Grundlage dieses Blogartikels.
Eine Anmerkung vorab: Ich verwende hier den Begriff „klassisch“ ohne eine Wertung. Er ist für mich lediglich eine gängige neutrale Abgrenzung und fasst die methodischen Ansätze im Projektmanagement zusammen, wie sie seit 50 Jahren als Best Practice beschrieben und angewendet werden.
Agil – klassisch – und der Rest
Ich mache es mir einmal leicht und teile unsere Projektwelt in drei Bereiche ein:
1) Die agile Reinkultur – Hier ist die ganz Belegschaft inklusive Kultur durchdrungen von agilen Denkweisen und Methoden. Man macht Projekte, die gemeinsam mit den Kunden iterativ und inkrementell durchgeführt werden. Scrum ist hier gängige Praxis
2) Die klassische Projektwelt – seit vielen Jahren eingespielt finden wir sie insbesondere in großen tradierten Unternehmen. Projekte werden in Phasen aufgeteilt. In den ersten Phasen wird vornehmlich geplant und spezifiziert und in den Folgephasen wird umgesetzt und getestet. Die Projektorganisation ist entsprechend der Linienorganisation hierarchisch aufgebaut.
3) Die Mischwelt – „klassische und agile Vorgehensweisen werden in Kombination angewendet. Viele Unternehmen, die seit jeher ihre Projekte in klassischer Manier durchführen, sehen die Vorteile agiler Projektarbeit und wollen sie für sich nutzen. Oftmals kommt der Anstoß von unten. Projektmitarbeiter, Projektmanager und Linienmanager binden agile Prinzipien und Instrumente in ihre Projektarbeit ein. Die umgebende Organisation ist jedoch weit von agiler Kultur entfernt und tickt weiterhin nach Command-and-Control-Manier.
Hier wird es spannend
Ich glaube, dass der Anteil der Unternehmen, die ihre Projekte mit einer Mischform durchführen, in den nächsten Jahren immer größer wird. Es ist einfach die Realität. Denn es wird Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, bis Unternehmen die agile Reinkultur, wie in Bereich 1) beschriebenen, erreichen werden. Vorausgesetzt, es gibt sie dann noch.
Und diese Unternehmen brauchen eine Hilfestellung. Eine Anleitung, wie eine Koexistenz von agil und klassisch funktioniert. So, dass das Beste aus Agile auf Teamebene angewendet werden, ohne die ganze Organisation umkrempeln zu müssen.
Als langjähriger PRINCE2-Anwender sehe ich natürlich bei dem neuen PRINCE2 Agile einen möglichen Lösungsweg. PRINCE2 Agile löst jedoch nicht alle auftretenden Herausforderungen. Es bettet zwar agile Vorgehensweisen in eine klassische Projektumgebung ein, aber die Konfliktherde mit unterschiedlichen Kulturen bleiben weiterhin bestehen.
Subversiv oder offen?
Zurück zur Konferenz. Ein Fokus unserer Sessiondiskussion war die Frage, wie offen man die Karte „agil“ spielen sollte. Gehen wir ohne Geheimnisse damit um, laufen dann aber Gefahr einen Methodenstreit vom Zaun zu brechen, oder agieren wir subversiv und versuchen, durch den praktischen Beweis der Wirksamkeit eine Akzeptanz herbeizuführen? Sollten wir versuchen, das Topmanagement zu überzeugen oder setzen wir auf die Wirkung einer großen Masse?
Ich werde sicherlich in den nächsten Monaten in einigen Kundenprojekten die Gelegenheit bekommen, PRINCE2 Agile anzuwenden und werde über die Erfahrungen in den unterschiedlichen Ansätzen wieder berichten.
Hast Du auch schon einen „Crash“ der Kulturen erlebt? Welche Strategien haben sich bei Dir als zweckmäßig erwiesen? Ich bin gespannt auf Dein Feedback.