Dieser Blogartikel zeigt dir, welche Potenziale in traditionellen Projekten gehoben werden können, wenn wir nur ein wenig Mut für etwas Neues haben. Er richtet sich besonders an Projektmanager, die bisher über wenig Erfahrung in agiler Projektarbeit verfügen und Lust auf das Ausprobieren von agilen Instrumenten haben.
Bevor wir uns anschauen, wie agile Elemente klassische Projekte ergänzen können, sollten wir eine wichtige Frage beantworten: Warum sollten wir denn überhaupt agil sein? Was ist der Nutzen davon, wenn wir agile Elemente in unseren Projekten einsetzten?
Viele Untersuchungsergebnisse, unter anderem die von Professor Komus von der Hochschule Koblenz aus dem Herbst 2016, haben ergeben, dass es vier Punkte gibt, die Projekten nachweislich gut tun und die aufzeigen zu welchen Verbesserungen die agile Anwendung führt.
1. Höhere Flexibilität für Anpassungen im Projektverlauf
Es gibt keinen Zwangsablauf der einmal festgelegte Dinge umsetzt und nur dann eine Planänderung erlaubt, wenn ein Change-Request eingereicht wird. Das führt zu deutlich höherer Flexibilität für Anpassungen im Verlaufe des Projektes.
2. Ergebnisse sind schneller sichtbar und verwendbar
In agilen Projekten wird darauf hingearbeitet, dem Kunden möglichst früh nutzbare und spürbare Ergebnisse zu liefern. So könnten schon schon nach dem ersten oder zweiten Sprint für den Kunden einsetzbare Ergebnisse geliefert werden.
3. Intensivere Ausrichtung auf den Kunden/Anforderer
Ein Kennzeichen von agilen Projekten ist es, dass der Kunde wesentlich stärker als in anderen Projektarten in den Ablauf mit einbezogen wird. Er ist Teil des Projektteam und ist der bestimmende Anforderer, wenn es zum Beispiel um die Vision, die User-Stories oder auch um die Beurteilung der Ergebnisse geht.
4. Die Motivation im Projektteam ist größer
Wenn agile Instrumente nicht nur angewendet werden, sondern die auch das agile Mindset wirklich verinnerlicht ist, dann ist das eine Garantie für ein motiviertes Projektteam, das mit Engagement und Spaß bei der Sache ist.
Du siehst, es gibt nachweisliche gute Gründe agil zu sein.
Wann sollten wir agiles Projektmanagement einsetzen?
Viele Projektmanager kommen häufig aus der klassischen Welt und ihnen stellt sich zunächst die Frage wann sich agiles Projektmanagement anbietet. Und wann es besser ist, bei der klassischen Projektvorgehensweise zu bleiben. Wenn sich nun eine agile Vorgehensweise anbietet, sind die Befürchtungen groß, wie dann den Wechsel von klassisch nach agil zu schaffen ist. Gottseidank ist diese Befürchtung unbegründet. Es geht nicht um ein “Entweder-Oder“, nicht um agile Projekte oder klassische Projekte. Eine Mischung in jedweder Form ist möglich.
Dann lautet die viel bessere Vorgehensweise: Wieviel „agil“ wollen wir in unseren Projekten anwenden? Die Entscheidung für oder gegen „agile“ hängt von zwei Kriterien ab:
- Ist die Aufgabenstellung für agile Planung und Umsetzung gut geeignet?
- Wie gut ist unsere Organisation und die Menschen für agile Vorgehensweisen geeignet?
Diese beiden Fragen zu der Projekteignung und Anwendbarkeit schauen wir uns jetzt einmal näher an.
Was sind Projektaufgabenstellungen um agile Vorgehensweisen anzuwenden?
1. Etwas ganz Neues
Agile Vorgehensweisen bieten sich sehr gut bei vollständig neuen Aufgaben an. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn wir Neuentwicklung starten. So gibt es zum Beispiel einen Kunden, der nach einem neuen Produkt, nach einer neuen Lösung ruft und eine ganz andere als die bisherige Lösung braucht. Hier bietet sich eine agile Vorgehensweise an, denn hier gibt es die nötigen Feedback-Zyklen um schnell korrigieren zu können wenn neue Erkenntnisse vorliegen.
2. Kunde/Anforderer unwissend
Wenn es dem Kunden, bzw. Anforderer schwerfällt, seine Wünsche auszudrücken und nicht in der Lage ist, diese in einem Lastenheft, einem Pflichtenheft oder einer Spezifikation beschreiben zu können. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Problem zwar identifiziert ist, aber die Lösung noch nicht erarbeitet werden konnte.
3. Hohe Unsicherheit
Der dritte Aspekt ist, wenn das Umfeld des Projektes von hoher Unsicherheit geprägt ist. Das kann z.B. aufgrund eines beweglichen Markts der Fall sein, oder auch in bestimmten Risiken in der Unternehmensentwicklung begründet sein. Typischerweise ist Unsicherheit auch beim Einsatz von neuen Technologien vorliegend. Immer dann, wenn es schon bei Projektstart Unwägbarkeiten gibt, die den zu gehenden Weg im Projekt nicht klar erscheinen lassen, dann sind die agilen Ansätze im Vorteil.
4. Hoher Marktdruck
Hoher Marktdruck führt dazu, dass wir schnell sein müssen, um erfolgreich zu sein. Das bedeutet, für den Anwender möglichst schnell ein brauchbares und nutzbares Ergebnis zu liefern. In dieser Situation sind agile Vorgehensweisen unschlagbar. Auch in Verknüpfung mit anderen Elementen, wie zum Beispiel Lean-Startup kann eine Markteintritt mit einem neuen Produkt viel schneller bewerkstelligt werden als bei klassischen Vorgehensweisen.
Anwendbarkeit – Wieviel agil verträgt eine Umgebung
Wie bereit ist die Organisation für agile Prinzipien? Das kannst Du mit Hilfe der folgenden Punkte prüfen:
Intensität der Governance
Wieviele Regularien, also Regeln und Vorgaben, Controlling und Entscheidungsrichtlinien sind in der Organisation vorhanden? Je intensiver eine Governance ausgeprägt ist, umso schwieriger wird es (aber nicht unmöglich!)
Art der Führung
Zum agilen Projektmanagement passt eine Führung mit flachen Hierarchien, die eher auf Leadership als auf Management ausgerichtet ist. Also eine Führung, die den Mitarbeitern Freiräume gibt und nicht einen klassischen “Command and control” Stil pflegt.
Unternehmensgröße
Je kleiner ein Unternehmen, umso kleiner ist das Umfeld, das es einzubinden gilt. Kleine Unternehmen schaffen es viel schneller agil vorzugehen, als größere Unternehmen.
Projektorientierung der Organisation
Unternehmen mit einer sehr starker Linienorganisation, die auf das Tagesgeschäft ausgerichtet ist, sind oftmals schwach in Projekten. Interdisziplinäres Arbeiten ist ungewohnt. In der Folge haben sie oft Probleme, gleichzeitig mit dem Tagesgeschäft Projektstrukturen zu etablieren und einen klaren Projektrahmen zu setzen. Je leichter eine Projektorientierung in der Organisation gelebt werden kann, umso einfacher kann auch die Vorgehensweisen zu mehr Agilität gebracht werden.
Räumliche Verteilung des Teams
Die optimale Situation für agiles Arbeiten ist gegeben, wenn sich alle an einem Standort, idealerweise in einem Raum befinden. Je weiter verteilt ein Team ist, sei es über mehrere Stockwerke, mehrere Gebäude, mehrere Standorte bis hin zu mehreren Ländern, umso schwieriger wird es auch, mit agilen Instrumenten zu arbeiten.
All dies zusammen bildet die Unternehmenskultur. Deshalb ist auch die Kultur die größte Hürde, echtes agiles Arbeiten zu implementieren.
Agile Instrumente
Du hast nun gesehen, welche Projekte gut Agilität vertragen können und welche Organisation es mit der Anwendung von agilen Instrumenten leichter haben.
Da bleibt nun noch die Frage offen: Welche agilen Instrumente kommen denn überhaupt in Frage? Wie gut sind agile Instrumente auch punktuell in klassischen Umgebungen einsetzbar?
Dieses Bild veranschaulicht es: Auf der linken Seite brauchen wir den ganzen Organismus, dort brauchen wir also ein agiles Mindset und einen agilen Gesamtrahmen. Je weiter wir nach rechts kommen, umso einfacher ist das Implementieren von agilen Elemente in unsere “klassischen Projekten”. Wenn Du erste agile Instrumente ausprobieren möchtest, empfehle ich dir für den Anfang also folgende:
1.Taskboards
Taskboards können auch Scrumboards oder Kanban Boards heißen. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Wir visualisieren unseren Arbeitsvorrat und den Status der Arbeitspakete indem wir sie auf ein für alle sichtbares Board packen – möglichst als Pinnwand und Kärtchen, als Whiteboard oder auch an der Wand mit Post-Its oder Stattys. Der Vorteil: Das gesamte Team hat immer die Arbeitspakete und ihren aktuellen Stand vor Augen. Das geht auch super in klassischen Projekten, idealerweise wenn man natürlich in einem Raum zusammen ist. Für verteilte Teams gibt es aber auch gute Lösungen, die einen guten Kompromiss bilden, zum Beispiel Trello.
2. Definition of Done
Dieses Instrument ist prinzipiell aus dem klassischen Projektmanagement bekannt. Dort wird durch Abnahmekriterien für jedes einzelne Ergebnis klar definiert, wann es fertig ist. In agilen Vorgehensweisen, wie zum Beispiel in Scrum, ist das allgemeiner gehalten u. Die Definition of Done beschreibt generisch und allgemein, wann ein Ergebnis fertig ist.
Ein Beispiel:
„Ergebnisse dieses Projektes sind dann fertig, wenn
- ein Anwender es für einsatztauglich erklärt hat
- es nachweislich getestet wurde
- es an Ablageort xy auffindbar ist
- die Dokumentation zur Anwendung und zur Wartung vorliegt“
Diese allgemeine „Definition of Done“ kann in klassischen Projekten auch wunderbar als Ergänzung eingesetzt werden
3. Standups:
Standups sind tägliche (oder wöchentliche) kurze Meetings mit einer ganz konkreten Agenda und mit ganz klaren restriktiven Vorgaben. Dieses Instrument macht die Kommunikation im Team enorm transparent, was wunderbar dem Austausch dient. Wegen der klaren Regeln dient es auch der Disziplinierung um Meetings fokussiert durchzuführen. Auch Standups können ganz einfach in klassischen Projekten integriert werden.
4. Priorisierung
In agilen Projekten muss priorisiert werden, denn das Ende der Phasen ist unverrückbar fest. Weil deshalb meistens nicht alle Anforderungen umgesetzt werden können, müssen diese mit unterschiedlicher Gewichtung priorisiert werden. Es wird in der Regel in vier Kategorien priorisiert: Must have, Should have, Could have, Won’t have (Abkürzung: MoSCow). Auch dieses Instrument lässt sich prima in klassischen Projekten anwenden.
Was sind die Nebenwirkungen agiler Instrumente?
Das Schaubild zeigt die positiven Nebenwirkungen agiler Instrumente. Du hast erwartet, dass es auch negative gibt? Die gibt es nicht.
Hab den Mut, das Ganze auszuprobieren und in deinen Projekten einfach einmal etwas anders zu machen. Auch wenn du nicht sofort 100 % agil werden willst. Ausprobieren erweitert in jedem Fall den Horizont!
In Kürze zusammengefasst:
1. Es gibt kein Entweder-Oder
Es gibt die Möglichkeit zu mischen. Du kannst selektiv vorgehen und dir zu Beginn agile Instrumente rauspicken, Du kannst in einem weiteren Schritt hybrid vorgehen, also eine Projektvorgehensweise schaffen, die das Beste aus beiden Welten beinhaltet. Als Beispiel sei dir unser SmartPM empfohlen. SmartPM ist nämlich genau so ein hybrides Framework mit den besten Elementen aus verschiedenen Welten
2. Du kannst morgen beginnen
Schau im Internet nach den Begriffen Daily Standup, Taskboard oder Definition of Done. Gute Einstiegspunkte findest du auf openpm.info und wikipedia.org. Mit dem Wissen ausgestattet kannst Du kannst diese Instrumente sofort ohne irgendeine Ausrede einsetzen.
3. Klassische Projektorganisation können sich agil entwickeln
Es braucht kein Big Bang, es braucht keine schnelle Transformation, es braucht kein Wechsel der Methode, etwa von PMI nach Scrum. Es ist vielmehr eine Entwicklung, die ihr vornehmen könnt und jede Organisation hat dabei ihr eigenes Tempo.
4. Agil ist ein Kulturthema…
…und kein Methodenthema. Agil wird man nicht mit einem Scrum-Kurs und Zertifizierung. Auch nicht wenn man die Projektprozesse von klassischer Vorgehensweise nach agiler Vorgehensweise umschreibt. Dafür braucht es mehr. Es ist nämlich ein Kulturthema und somit darfst Du auch berücksichtigen, wie reif deine Organisation für agiles Projektmanagement ist.
5. Jedes Projekt kann von agilen Elementen profitieren kann. Bei kleinen Instrumenten, die punktuell einsetzbar sind geht das am allerbesten.
Sind Fragen offen geblieben? Schreib uns gerne an office@copargo.de oder direkt hier in die Kommentare.