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Retrograd oder progressiv planen?

Im PRINCE2 Planungsansatz werden zunächst die Produkte definiert und analysiert, dann Aktivitäten und Abhängigkeiten ermittelt, ehe nach Schätzung der Aufwände für die einzelnen Produkte eine Zeitplanung erfolgt. Ist das alles „graue“ Theorie? Bekommen wir nicht in der Praxis allzu oft teils unsere Endtermine durch den Auftraggeber vorgegeben und müssen dann retrograd planen, um sicherzustellen, dass wir rechtzeitig fertig sind? Wie passt das zusammen?

Die Erwartungshaltung zum Endtermin aus dem Unternehmen werden wir auch mit PRINCE2 nicht verändern können, die Methode hilft uns aber auf dem Weg zu einem robusten Projektplan, der die zugrunde liegenden Annahmen und Voraussetzungen für die Erreichung enthält. Für den Projektmanager macht es gerade bei von außen determinierten Endterminen Sinn, zunächst mal das Projekt progressiv zu planen und dann herauszufinden, welche Auswirkungen die zeitlichen Restriktionen haben.

Wenn die Produkte identifiziert, beschrieben und mit Aufwand bewertet sind, erhalte ich eine Grundlage für die Aufwandsschätzung und kann aufgrund der Abhängigkeiten den Zeitplan erstellen. Erhalte ich nun den Zieltermin 31. Mai, mein Kunde möchte aber bereits am 30. April fertig sein, dann werde ich versuchen, diese neue Anforderung umzusetzen – dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, indem ich die Parameter Kosten, Zeit, Umfang, Qualität, Nutzen und Risiken unter die Lupe nehme und adäquat anpasse.

Natürlich kann ich durch zusätzliche Ressourcen (und Erhöhung der Kosten) zum Zieltermin kommen, aber auch durch Verringerung des Umfangs oder der Qualitätsansprüche. Auch eine Parallelisierung von Tätigkeiten sollte ich in Betracht ziehen – all dies hat dann auch Auswirkungen auf den Nutzen und die Risiken, die berücksichtigt werden müssen. Die Annahmen und Voraussetzungen für die neue Zeitplanung müssen dokumentiert und durch den Lenkungsausschuss akzeptiert werden. Denn als Projektmanager kann ich die Arbeiten nicht beschleunigen, dazu benötige ich das Commitment des gesamten Teams inkl. der Entscheidungsträger. Sonst wird aus dem 30.April im Projektverlauf schnell wieder der 30. Mai…

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Oliver Buhr